The Syria Campaign Adopt a Revolution

Durchbrecht die Belagerungen

Eine Millionen Menschen werden als Kriegswaffe systematisch ausgehungert. Und keiner weiß davon.Das ist ihre Geschichte des Widerstands.

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Leben unter Belagerung:Hunger

„Wir halten es nicht mehr aus. Warum hilft uns niemand? Wir haben Mütter, Schwestern, Brüder. Wir sind Menschen wie ihr.“

Khaled, Madaya

Eines Morgens im Juni 2012 wachten die Menschen in Homs auf und stellten fest, dass sie umzingelt waren.

Checkpoints und Scharfschützen wurden entlang aller wichtigen Ausfallstraßen der Stadt aufgestellt. Weder die Einfuhr von Essen noch Medizin war gestattet. Elektrizität und Wasserzufuhr wurden reduziert. Jeder, der versuchte, die Gegend zu betreten oder zu verlassen, wurde beschossen.

Das war der Startschuss für eine der grausamsten Seiten des Kriegs in Syrien: Die „Unterwirf dich oder verhungere“-Politik von Bashar al-Assad. Die Belagerungen. Ein Jahr zuvor waren die gleichen Straßen voll mit Zehntausenden, die sich nach Jahrzehnten der Diktatur friedlich für Frieden und Würde einsetzten. Nun sahen sie sich mit einer mittelalterlichen Belagerung durch genau dieses Regime konfrontiert.

Mittlerweile leben eine Millionen Menschen unter solchen Belagerungen, während tonnenweise Hilfsgüter, bereitgestellt von der ganzen Welt, nur ein paar Minuten entfernt lagern. Die Zivilbevölkerung in diesen Gegenden hat nichts mit den Kämpfen zu tun, doch oft ist sie gezwungen Blätter, Insekten und sogar Katzen zu essen, um überleben zu können. Wer es sich leisten kann, kauft Essen von Schmugglern, was oft bis zu tausendmal so viel kostet, wie ursprünglich. Hunderte von Menschen sind bereits verhungert, Tausende sind infolge von Krankheiten gestorben, die Unterernährung ausgelöst hat.

Diese Menschen sterben, weil das Assad-Regime den UN-Lastwagen und UN-Flugzeugen mit Lebensmitteln den Zugang zu belagerten Gebieten verwehrt. Dieser Zugang wurde wiederholt vom UN-Sicherheitsrat eingefordert und garantiert. Zur gleichen Zeit zieht das Regime Milliarden von Dollar derselben Hilfsleistung heran, um Menschen in den vom Regime kontrollierten Gebieten zu ernähren.

Brecht das Schweigen. Durchbrecht die Belagerungen.

Leben unter Belagerung: Bomben

„Fast jeder Tag ist ein Massaker“

Nazeer, Douma

Als die Bauern und Händler am 16. August 2015 auf dem größten Markt in Douma ihre Obst- und Gemüsestände aufbauten, war der Himmel blau und klar.

Die erste Rakete schlug zur Hauptgeschäftszeit ein, abgefeuert von einem Kampfflugzeug des Regimes, mitten in die Menge hungriger Marktbesucher.

Duzende von Menschen waren sofort tot, ihre Körper fanden sich zwischen den verstreuten Waren und zertrümmerten Ständen. Als die Rettungskräfte eintrafen, um die Verwundeten zu bergen, schlugen weitere Raketen ein. Das war ein so genannter „Double-tap“-Angriff, der einzig darauf abzielt, so viele Unschuldige zu töten wie möglich.

Wenn Bomben einschlagen, eilen die Freiwilligen der Weißhelme herbei. Diese Rettungskräfte graben unter den Trümmern nach Überlebenden - in ganz Syrien haben sie schon über 40.000 Leben gerettet. Im täglichen Massaker der Belagerung sind sie manchmal die einzige Hoffnung.

Diese Luftangriffe des Assad-Regimes sind heute die häufigste Todesursache von Zivilisten. Russland, offen ein Verbündeter von Bashar al-Assad, beteiligt sich derzeit aktiv an diesen Bombenangriffen, die nicht nur Märkte treffen, sondern auch auf Schulen und Krankenhäuser. In den belagerten Gebieten sind diese Angriffe um ein Vielfaches schlimmer, weil die Menschen nicht einmal fliehen können – wohin sollten sie rennen? Und für die Verwundeten gibt es nur unzureichende medizinische Versorgung.

Wie so viele andere Massaker auch hat die Welt das Bombardement des Markts in Douma am 16. August weitgehend ignoriert, obwohl die Zahl der Toten am Ende des Tages auf über 100 anstieg, darunter zahlreiche Kinder. Fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor war die gleiche Gegend bereits Schauplatz des schlimmsten Angriffs mit Chemiewaffen in diesem Jahrhundert, als Hunderte mit dem geächteten Giftgas Sarin getötet wurden.

Die internationale Gemeinschaft hätte die Macht, diese Luftangriffe zu stoppen. Doch der erste Schritt besteht darin, sie zur Sprache zu bringen. Brecht das Schweigen. Durchbrecht die Belagerungen.

Leben unter Belagerung:Widerstand

„Jeder, der etwas gibt, ist ein Held. Hier sind alle Helden. Alle geben, was sie können.“

Elias, Douma

Ein Rettungsarbeiter, ein Arzt, ein Lehrer, ein Bauer, ein Bergarbeiter. Unter Belagerung sind dies die Menschen, die Dich und Deine Familie am Leben erhalten und dabei oft ihr eigenes Leben riskieren.

Sie sind die Helden, die Dir zu Deiner nächsten Dialysedosis verhelfen, Dich aus den Trümmern bergen, Deine Kinder in der Schule unterrichten oder einen Weg finden, um Dir vielleicht eine Mahlzeit am Tag zu verschaffen.

Die Kreativität hält die Menschen am Leben. Apotheker haben angefangen, ihre eigene Medizin herzustellen, Ärzte kreieren ihre eigenen chirurgischen Werkzeuge und führen Operationen unter dem Licht von Mobiltelefonen durch. Ingenieure verdrahten Batterien mit Fahrrädern, um die Mobiltelefone mit Strom zu versorgen, andere schmelzen Plastik um Brennstoff herzustellen.

Hinter all diesen Widerstandsformen verbirgt sich eine tiefe Liebe und Solidarität mit denen, die unter der Belagerung leiden. Es gibt unzählige Geschichten über die unendliche Großzügigkeit von Menschen, die selber kaum etwas besitzen, und dennoch denjenigen helfen, die noch weniger haben.

Es sind die tiefsten und dunkelsten Ecken in der Belagerung, in denen die Menschlichkeit am hellsten leuchtet.

Wir müssen uns mit diesen Helden solidarisch zeigen und der Welt ihre Geschichten erzählen.

Brecht das Schweigen. Durchbrecht die Belagerungen.

Leben unter Belagerung:Triff die Belagerer

„ISIS und das Regime belagern uns beide und profitieren finanziell davon“

Karam, aus Dair az-Zur

Mindestens 1.000.000 Menschen leben in Syrien unter Belagerung.

Von den 52 belagerten Gebieten des Landes werden 49 vom Assad-Regime, zwei von Rebellengruppen und eins von ISIS und dem Regime belagert.

Eine der größten Belagerungen findet in Dair az-Zur in Ostsyrien statt, wo 200.000 Menschen leben. Sie wird von außen von ISIS belagert. Aber auch das Assad-Regime, das die Bevölkerung im Inneren kontrolliert, verwehrt den Menschen dort Hilfsgüter. Das Regime weist Anfragen der UN zurück, Hilfsgüter nach Dair az-Zur zu liefern, obwohl es einen Flughafen gibt, den es zur Versorgung seines Militärs innerhalb der Belagerung mehrmals täglich nutzt. Die Zivilbevölkerung in Dair az-Zur wird daher faktisch sowohl von ISIS als auch vom Assad-Regime belagert.

Die Zahlen sind krass. Das Assad-Regime verwehrt 99% der Menschen, die in Syrien in den Belagerungen ausgehungert werden, den Zugang zu Hilfsgütern.

Brecht das Schweigen. Durchbrecht die Belagerungen.

Die UN entscheidet jeden Tag neu, Hilfsgüter in die belagerten Gebiete in Syrien nur mit Erlaubnis des Assad-Regimes zu liefern.

Diese Erlaubnis benötigt die UN nicht einmal, da die Sicherheitsrats-Resolutionen 2165, 2191 und 2258 sie dazu bemächtigen, Hilfsgüter ohne die Zustimmung des Regimes auszuliefern. So werden unnötige bürokratische Hürden werden geschaffen, während Menschen in einigen Fällen nur ein paar Minuten von den Hilfsgütern entfernt verhungern. Die UN muss ihren Job machen und Hilfsgüter sofort hineinbringen. Sollte es Sicherheitsbedenken geben, kann die UN den Sicherheitsrat benachrichtigen, so dass dieser notwendige Maßnahmen zur Gewährleistung einer sicheren Lieferung ergreifen kann.

Zudem berichtet die UN systematisch zu wenig über die Belagerungen und verschweigt dadruch die Realität.

Die UN-Statistiken zu Belagerungen sind wenig Transparent und es gibt Duzende Gegenden ohne Zugang zu Lebensmitteln, die aber nicht auf der UN-Liste stehen. Die Stadt Madaya, in der die Zivilbevölkerung hungert, hat es vor kurzem auf die Titelseiten in aller Welt geschafft. Von der UN wird Madaya allerdings bis heute nicht als belagerte Stadt angesehen.

Viele Syrer bezichtigen die UN der Komplizenschaft mit den Hungerblockaden des Assad-Regimes.

Die Nähe des UN-Fachpersonals in Damaskus zum Assad-Regime gilt als besorgniserregend. Einige sagen, das Personal in Damaskus möchte das Regime nicht unter Druck setzen, ihre Visa könnten widerrufen werden.

Der Umstand, dass das UN-Büro für Humanitäre Hilfe in Damaskus im Dezember 2015 der Aufforderung des Assad-Regimes nachkam und die Worte „Belagerung“ und „belagert“ aus einem wichtigen UN-Fundraising-Dokument für 2016 – der Maßnahmenplan für Humanitäre Hilfe - komplett strich, bestätigt für viele diese Verdächtigungen.

Viele Mitarbeiter der UN - sowohl international als auch vor Ort - möchten, dass die Organisation mutiger auftritt und dem Assad-Regime die Stirn bietet. Es sind die Leiter der UN-Agenturen, die sich weigern, dringend benötigten Hilfslieferungen grünes Licht zu geben.

Sind Sie UN-Angestellter und möchten das Kampagnenteam mit zusätzlicher Information versorgen, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf. Jeder Hinweis und die gesamte Kommunikation wird vertraulich behandelt. info@thesyriacampaign.org

Zusammen können wir die Belagerungen durchbrechen